Was ich an IT-Störfällen mag

Störungen sind Mist

Ausfälle von Softwareanwendungen sind für die Menschen, die bei ihrer Arbeit auf sie angewiesen sind, ein großes Ärgernis. Schlimmstenfalls lassen sich wichtige Aufgaben überhaupt nicht mehr erledigen; man ist der Technik ausgeliefert, verliert Vertrauen und kann nur hoffen, dass „die IT“ das Problem so schnell wie möglich behebt.

Als Entwickler und Projektleiter stehe ich oft auf der anderen Seite: Wenn „unsere“ Software nicht richtig läuft, gehöre ich zu denjenigen, die die Lösung finden müssen. Ich hatte auch schon Rufbereitschaft und war spätabends oder nachts der erste (und manchmal einzige), der sich kümmern musste.

So ein „Incident“ ist immer ärgerlich und belastend, und jeder würde sich das gerne ersparen. Trotzdem hat die Aufgabe, ihn unter großem Zeitdruck zu beheben, für mich auch positive Aspekte:

Konzentration auf das Wesentliche

Wenn „das System steht“, lassen wir alles Unwichtige liegen und es geht plötzlich schnell. Analysen, Konfigurationsänderungen oder Entscheidungen, die sich sonst über Monate ziehen können, sind innerhalb einer halben Stunde erledigt. Viele helfen mit, stimmen sich ab, arbeiten parallel. Es kommt vielleicht zu echter Teamarbeit. Und wir tun nur das, was große Bedeutung für den Kunden hat. Ein bisschen mehr davon würde ich mir auch im Arbeitsalltag wünschen.

Die Stunde der Wahrheit

Störungsbehebung ist ein Stresstest für die von uns aufgebauten Systeme und Prozesse: Jetzt zeigt sich die Qualität von Dokumentation, Checklisten, Monitoring und Health-Checks, Alerts, Logging, Tests und Testumgebungen, Deployment, Software-Architektur, Kommunikationswegen, Notfallplänen. Nie sonst erfahren wir so schnell (und schonungslos), wo wir gut aufgestellt sind, was zu kurz gekommen ist und was wir verbessern sollten.

So lernt man sich kennen

In der Stresssituation, gemeinsam die Anwendung „zum Laufen bekommen“ zu müssen, lernen wir uns besser kennen als im Alltag. Was können wir, beherrschen wir die Technik und unsere Werkzeuge? Wie schnell finden wir den Kern des Problems und kreative Lösungsansätze? Können wir klar kommunizieren, und sind wir Einzelkämpfer oder Teamplayer? Übernehmen wir freiwillig schwierige Aufgaben oder mogeln wir uns raus? Vertuschen wir Fehler oder übernehmen wir Verantwortung dafür? Kommen wir in den Flow oder ins Schwimmen? Machen wir Vorwürfe und geben Druck weiter, oder entlasten und unterstützen wir? Wie gut kennen wir unsere Kunden, wieviel Empathie haben wir für sie? Das finde ich immer wieder spannend. (Und einem „Meister“ dabei zuzuschauen, wie er in kürzester Zeit ein für die anderen rätselhaftes Problem versteht und löst, ist ein echtes Vergnügen.)

Auch unsere Kunden lernen uns bei einem Ausfall besser kennen. Wir können die Gelegenheit nutzen, verloren gegangenes Vertrauen wieder zu stärken – durch gute Kommunikation, Verständnis und Mitgefühl, schnelle Hilfe und ggf. einen offenen Umgang mit unseren Fehlern.

Kurz die Welt retten

Vielleicht ist es albern, aber wenn’s gut läuft, kommt man sich vor wie ein Held, der die Welt rettet – dazu trägt auch der Adrenalin-Kick bei. Die Kehrseite ist, dass man sich sehr schlecht fühlen kann, wenn die Kunden leiden und es nicht vorangeht…

Deshalb wünsche ich uns allen eine störungsfreie Woche! 😉