Howard Carpendale und Meeting vs. Bühne

Anfang des Monats habe ich an einem „Auftritts- und Kommunikationsworkshop“ mit Nicola Peters teilgenommen (absolut empfehlenswert, mir hat’s sehr gut gefallen).

Unter anderem ging es um souveränes Auftreten; mit Tipps, wie Körpersprache und Sprache dazu beitragen können. Natürlich retten uns eine einstudierte Pose oder ein angenehmes Sprachtempo nicht, wenn wir in einem Termin schlecht vorbereitet und heillos überfordert sind. Aber es gibt eine spürbare positive Rückwirkung: Ich fühle mich wohler in meiner Haut, wenn ich sicherer stehe, Augenkontakt aufnehme und beim Sprechen Pausen mache. Und das merken die Menschen um mich herum.

Schön fand ich auch den Begriff „Souveränität der 2. Ordnung“ : Dass wir uns nicht verunsichern lassen, wenn bei unserer perfekt vorbereiteten Präsentation eine Panne passiert, und souverän damit umgehen, etwas nicht zu wissen oder einen Fehler gemacht zu haben.

Dazu passt das gerade im SPIEGEL erschienene Interview mit dem Sänger Howard Carpendale (€). Er sagt über sicheres Auftreten im Konzert:

„Charismatisch ist nur, wer weiß, dass er es kann. Das schafft Ruhe in einem drin, das verändert die Körperspannung, die Bewegungen auf der Bühne.“

„Die Leute im Saal müssen das Gefühl haben, dass der Mensch da vorn die Situation im Griff hat.“

„Auf der Bühne der Chef zu sein, das muss ja nicht bedeuten: große Geste, Brust raus. Das kann auch bedeuten, ruhig und bedacht aufzutreten, nicht hektisch zu werden, sondern die Show selbst zu genießen. Das Publikum spürt das.“

Ich stehe gelegentlich als Amateurmusiker auf einer Bühne (auf einer sehr kleinen; natürlich will ich mich nicht mit Howard Carpendale vergleichen). Mir ist aufgefallen, dass es mir leichter fällt, dort vor 150 Personen zu reden, zu singen und Gitarre zu spielen, als im Beruf als Projektleiter ein Meeting mit 10 Personen zu leiten. Gut vorbereitet bin ich in der Regel in beiden Situationen. Woran könnte es dann liegen?

Vielleicht hilft es mir, dass beim Musizieren die Aufgaben klar verteilt sind: Der Mensch auf der Bühne leitet, das Publikum lässt sich leiten (hört zu oder singt mit). Niemand klettert plötzlich auf die Bühne und macht mir meine Rolle streitig. Ich kann also relativ ungestört „mein Ding machen“, solange ich die Zuhörer nicht zu sehr langweile oder ärgere.

Im Meeting dagegen machen sozusagen alle gemeinsam die Musik. Wir sitzen ja zusammen, damit sich jeder aktiv beteiligen kann. Rollen und Abläufe sind deshalb komplexer, und sie sind nicht immer klar oder akzeptiert. Vielleicht werde ich mitten in meinen Ausführungen unterbrochen, weil jemand denkt, dass wir schon in der offenen Diskussion angekommen sind. Oder ich werde für eine Entscheidung kritisiert, die eine Ebene höher getroffen wurde. Da hat mir Nicola Peters’ Rat im Workshop geholfen, Ziele, Rollen und Ablauf explizit zu kommunizieren. Ich muss nicht jede Erwartung erfüllen. Als Sänger gehe ich auch nicht mit der Angst auf die Bühne, dass jemand einen Salto oder eine Löwendressur von mir erwartet.

Und ich habe mir vorgenommen, mich direkt vor einem wichtigen Termin bewusst darauf einzustimmen – tief durchzuatmen, mich aufrecht hinzustellen, mir meine Rolle und meine gute Vorbereitung bewusst zu machen, um dann gut gelaunt und mit Vorfreude in den Termin zu starten. So, wie ich es auch auf dem Weg zur Bühne mache.